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Das Pferdegehirn

By 23. Juni 2014August 18th, 2014Pferdewissen

Das Gehirn des Pferdes ist leider noch nicht so gut erforscht, wie das anderer Haustiere. Es gibt es einige Gemeinsamkeiten, jedoch auch Besonderheiten. Mich fasziniert es zu erfahren, wie Pferde denken und lernen.

Getrennte visuelle Wahrnehmung

Durch die monoculare Sichtweise der Pferde bedingt, verläuft die visuelle Reizverarbeitung anders als beim Menschen, oder bei Raubtieren mit binocularer Sichtweise. Der Nervus Opticus (Sehnerv) kreuzt sich beim Pferd im Chiasma Opticum zu 80-85% .
D.h.: 80-85% des Nervus Opticus verlaufen in die laterale Hirnhemisphäre,15-20% in die ipsilaterale Seite.Beim Menschen kreuzen sich ca.50% der Nervenfasern.
Hinzu kommt dass der Corpus Callosum (Balken), der für die Kommunikation sowie die Koordination der beiden Hemisphären zuständig ist, bei Pferden einen geringere Übertragungsrate als beim Menschen aufweist. Der sogenannte Calloso bulbäre Index beträgt beim Menschen 3,12 beim Pferd 0,7.
Pferde sehen also einen Gegenstand links und sind sich auf der rechten Seite nicht bewusst , dass er da ist, zumindestens nur zu 15-20%.
In der Praxis kennen wir genügend Beispiele dafür, z.B.die berühmte Decke auf der Bande an der das Pferd links herum schon 5 mal brav vorbei lief, rechts herum aber scheute.

Lernen durch Belohnung

Durch Belohnung wird im Gehirn das sogenannte Dopaminsystem, welches für Belohnung (und Suchtverhalten) zuständig ist, aktiviert. Es erfolgt eine Dopaminausschüttung, gleichzeitig wird die Angst in den Mandelkernen verringert. Jedoch muss der Effekt der dieses auslöst “besser als erwartet ” sein, dann lernt das Gehirn. Gehirne vervollständigen Handlungen immer autonom. Das Gehirn versucht also immer vorrauszuberechnen was passiert. Wird eine Handlung wie erwartet behandelt, hält sich das Gehirn nicht lange damit auf, weil es den Inhalt ja schon abgespeichert hat und keine Zeit mehr damit verbringen muss. Es erfolgt keine Dopaminausschüttung. Gelernt wird darum am Besten, wenn positive Erfahrungen gemacht werden.
Ein Beispiel:
In der Dual-Aktivierung® soll ein Pferd über das Dreieck laufen.Zunächst muss es lernen, sich zu koordinieren. Dann lernt das Pferd, dass es angenehmer und energiesparender ist, auch

  • seine Hinterhand koordiniert durch das Dreieck zu bringen. Der Effekt ist besser als erwartet und eine positive Erfahrung.
  • Dopaminausschüttung
  • Aktivität in den Mandelkernen nimmt ab
  • Gehirn produziert endogene Opioide, daraus resultiert ein gutes Gefühl
  • Opium belohnt und macht süchtig

Die Verhaltenssequenz die zum Resultat “besser als erwartet” geführt hat, wird weiterverarbeitet und wahrscheinlicher abgespeichert, also gelernt. Das Dopaminsystem springt nicht bei Bestrafung an, es ist nur für Belohnung zuständig. Gelernt wird immer, wenn positive Erfahrungen gemacht werden. Das Gelernte ist auf andere Situationen übertragbar.

Aufmerksamkeit

Aufmerkamkeit bedeutet, die Sinne des Pferdes auf ein Objekt, eine Situation oder auf ein Signal zu lenken. Je aufmerksamer ein Pferd ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass es dem ihm dargebotenen Reiz lernt und abspeichert. Selektive Aufmerksamkeit fördert eine Zuhname der Gehirnareale, in welcher die bevorzugte behandelte Information bearbeitet  wird. Ist die Aufmerksamkeit auf die Bewegung gerichtet, wird dadurch das Bewegungsareal aktiviert. Ein Effekt, der auch eine wesentliche Rolle bei der Einspeicherung spielt.

Angst

Hat ein Pferd extreme Angst, lernt das Pferd rasch, welche Situationen gefährlich sind. Angsteinflössende Situationen graben sich regelrecht ins Gehirn ein. Das ist natürlich förderlich, wenn ein Pferd sich bedroht fühlt und fliehen muss, jedoch im Training eher hinderlich, da in einer Angstsituation kein verknüpftes Lernen stattfinden kann. Dh.:das Pferd kann das Gelernte nicht auf andere Situationen übertragen.
Wird dem Pferd, mit Hilfe der Mandelkernen, Angst signalisiert, wird es sofort in Fluchtbereitschaft versetzt. Der Puls und die Atemfrequenz steigen, die Muskeln verspannen sich und es erfolgt eine Ausschüttung von Noradrenalin und Adrenalin. Das Fight or Flight Prinzip. Hat sich diese Angst einmal gefestigt, wird das Pferd ständig in Fluchtbereitschaft sein, sobald die beängstigende Situation wieder eintritt. Es ist also wichtig, dem Pferd während des Trainings keine Angst zu machen. Es wird eventuell gehorchen, jedoch die geforderte Aufgabe schlechter lernen und sie nicht auf andere Situationen übertragen können.
Die Mandelkerne haben eine Zwischenspeicherfunktion. Das Fight or Flight Prinzip reduziert die Reaktion des Pferdes in einer angsteinflössenden Situation auf ein Minimum. Da das Pferd ein Fluchttier ist, ist es nur logisch, dass es flieht. Langes Überlegen wäre in einer Gefahrensituation, z.B. “Löwe im Gebüsch” nicht unbedingt von Vorteil. Würde das Pferd in einer solchen Situation lange überlegen, gäbe es die Spezies Pferd heute wahrscheinlich nicht mehr. Es entsteht ein Automatimus, der das Pferd vor lähmender Angst schützt. Erst nach der Reaktion, auf die Gefahr, werden die Informationen an den Kortex weitergeleitet, verknüpft mit den Informationen des Sehnerves und weitergeleitet an den Hippocampus. Eventuell bleiben jedoch einzelnen Informationen in den Mandelkernen stecken und es entsteht ein Gefühl der Angst bzw. der Gefahr. In der Regel verschwindet dieses beklemmende Gefühl wieder, kann aber in ähnlichen Situationen wieder empfunden werden. In seltenen Fällen kann ein Trauma entstehen, wenn das Erlebte in den Mandelkernen “stecken bleibt ” und im Grosshirn nicht verarbeitet werden kann.
Da das Pferd die erlernten Inhalte nicht auf andere Situationen assoziieren kann, mag diese Reaktion in freier Natur sinnvoll sein. Bei heutigen domestizierten Pferden, führt dieses jedoch meist zu Problemen. Pferde die unter Angst leiden, lernen Aufgaben also nicht leicht. Manche sind dann wie festgefahren. Gut fürs Lernen ist eine positive Grundstimmung.

Die Plastizität der Rindenareale

Es gibt Areale im Gehirn die für z.B. Bewegungen oder visuelle Wahrnehmung zuständig sind, wie der motorische oder visuelle Cortex. Diese Areale sind plastisch, sie haben also die Möglichkeit sich zu vergrössern oder zu verkleinern. Bei Blinden ist der Teil des motorischen Cortex vergrössert, der für die Berührung der Blindenschrift mit den Fingerspitzen zuständig ist. Wird anders herum ein Finger amputiert, also nicht mehr gebraucht, verkleinert sich das dafür zutändige Areal wieder.
Allerdings ist es nicht nur die blosse Inputhäufigkeit (wie oft wird etwas gemacht), welche die Areale vergrössert, es sind noch andere Komponenten wichtig, sonst passiert im Gehirn nicht viel.
Zunächst die Aufmerksamkeit, bzw. die Konzentration die das Pferd der Bewegung schenkt und die Belohnung für das Pferd, nach dem Motto “Besser als erwartet”. Nur wenn diese drei Komponenten gegeben sind, vergrössern sich die Areale.
Fazit:

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Die Rindenareale vergrössern sich nur, wenn einige Komponenten gegben sind:

  • Aufmerksamkeit/Neugier
  • Belohnung
  • Reizpräsentation
  • Inputhäufigkeit (wie oft wird ein Reiz räsentiert)

Das Gehirn muss aufmerksam sein und die Belohnung muss stimmen, ansonsten vergrössern sich die Areale im Gehirn nicht und das Gelernte wird weniger gut abgespeichert. Blosse Reizpräsentation führt zu nix (zumindestens nicht zu viel). Neutrale und negative Reize, werden in der Amygdala abgespeichert. Neugierde, Aufmerksamkeit und Belohnung, sowie das Prinzip “besser als erwartet” produzieren Dopamin, welches dem Pferd ein gutes Gefühl vermitteln. Das Gehirn versucht immer autonom zu handeln. D.h.: läuft ein Pferd über die Gassen, versucht das Gehirn die Bewegungen vorauszuberechnen. Setzt das Pferd, infolge der Gassen (die seine Aufmerksamkeit erregen), seine Hinterhand ein, hat dies einen positiven Effekt (energiesparend), und ist  für das Gehirn “besser als erwartet”. Das Gelernte wird besser abgespeichert und automatisiert. Hinzu kommt, dass bei Aktivierung des Dopaminsystems, die Aktivierung der zentralnervösen Strukturen, die Angst und Abneigung signalisiern, gemindert werden (Pferde werden gelassener und lernen das Positive)
Durch die Gassen und Übungen in der Dual-Aktivierung®, wird die Aufmerksamkeit geweckt und das Pferd, muss sich konzentrieren.Durch die gelernte (neue) Bewegungskoordination und Balance,bekommt das Pferd ein gutes Körpergefühl.
Das Training für ein Pferd muss also abwechslungsreich, beidseitig, nicht zu lange und positiv gehalten werden,dann lernt das Pferd am Besten.

Quelle: Alexandra Schmid

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