Warum scheut das Pferd plötzlich vor einer Pfütze, obwohl das noch nie ein Thema war? Plötzlich bleibt es vor einem Hindernis stehen. Es ist ihn doch schon so oft gesprungen. Ihr Pferd kann auch beim Anblick der, sonst vertrauten, Dual-Gassen einen verwirrten Eindruck machen und kurz zögern. Das Garagentor vom Nachbarn, welches jetzt wirklich bekannt sein müsste, veranlasst es einen riesengroßen Aufstand zu machen.
Bevor Sie ihr Pferd schimpfen, dass es sich nicht so anstellen soll, denken Sie daran es könnte eine andere Ursache haben. Pferdeaugen unterscheiden in vielen Punkten von den menschlichen Augen. So z.B. haben Menschen keine Traubenkörner. Schon mal gehört? Für diejenigen, die noch nie etwas davon gehört haben: hier die Erklärung.
Traubenkörner (Granula iridica ) befinden sich im Pferdeauge am Rande der Pupille. Sie sehen aus wie kleine schwarze Punkte, die sich am oberen und unteren Rand der Pupille befinden.
Bei jedem Pferd sehen Traubenkörner individuell ein kleinwenig anders aus. Es gibt sogar Unterschiede zwischen dem linken und rechten Auge, in deren Anzahl und deren Anordnung.
Sie haben mehrere Funktionen. Eine davon ist, dass sie bei der Produktion von Kammerwasser beteiligt sind. Doch die für Menschen interessante Aufgabe ist, dass sie dem Pferd das Sehen bei grellem Licht leichter machen. Traubenkörner haben eine Art Schutzschildfunktion. Sie verhindern, dass bei grellem Licht zu viele Lichtstrahlen auf die Retina treffen. Besonders wichtig sind sie, wenn die Sonne im Sommer sehr hoch steht oder auch im Winter, die Sonne vom Schnee reflektiert wird.
Das Pferdeauge ist, evolutionstechnisch bedingt, besonders gut auf die Fernsicht angepasst. Nachvollziehbar für ursprüngliche Steppenbewohner. Dabei ist es notwendig auch bei starkem Lichteinfall gut sehen, zu können. Fällt das Licht parallel in das Auge (was für die Fernsicht benötigt wird), wird die Pupille von einem Muskel (M. sphinkter pupillae )zusammengezogen um weniger Licht einzulassen. Dieser Mechanismus wäre alleine zu wenig. Die Traubenkörner begrenzen die Pupillenöffnung zusätzlich.
Traubenkörner können krankhaft verändert sein, etwa vergrößert oder sie lösen sich vom Pupillenrand ab und wandern durch die Pupille. Dieses kann Sehstörungen zur Folge haben, die eventuell nur auffallen, wenn das Licht im falschen Winkel ins Auge trifft. Natürlich können Pferde, auch wenn mit den Traubenkörnern alles in Ordnung ist, geblendet werden. Aber immer daran denken: Es sind Pferde, es sind Fluchttiere … und meistens hat es einen guten Grund, wenn sie erschrecken und „spinnen“ nicht einfach nur, um uns das Leben schwerer zu machen.
Quelle + modifizierte Abbildung: Praxisorientierte :Anatomie und Propädeutik des Pferdes :Wissdorf;Gerhards;Huskamp;Deegen;Kap.3.6.1 Augapfel S.: 142-144
Text /Bild/Idee: Geitner /Schmid